Barrierefreiheit für Hörgeschädigte

Ein gehörloser Mensch, ehemaliges Vorstandsmitglied des CIV NRW e.V.*, stellte uns die folgenden Fragen:

*CIV NRW e.V. steht für Cochlea-Implantat-Verband; das Cochlea-Implantat ist eine Hörprothese für Gehörlose und Ertaubte, deren Hörnerv noch funktionsfähig ist.

In NRW leben etwa 3 Millionen Menschen mit Hörbehinderungen, die auf lautsprachliche Orientierung angewiesen sind, das entspricht rund 16 % der Bevölkerung. Lediglich etwa 18.000 Betroffene sind gebärdensprachlich orientiert. Für Gladbeck kann man auf dieser Basis von etwa 12.000 hörbehinderten Erwachsenen und Kindern ausgehen.

Ich bitte Sie heute um Stellungnahme, wie Sie sich für und in Gladbeck für die Belange von lautsprachlich orientierten Menschen mit Hörbeeinträchtigung einsetzen werden. Dazu haben wir unsere Fragen in „Wahlprüfsteinen“ zusammengefasst. 

Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Räumen

Fragen

  • Werden Sie für die Ausstattung von öffentlichen Gebäuden, Beratungsstellen, Dienstleistungsanbietern mit induktiven Höranlagen und einheitlichen Hinweisschildern stimmen? 
  • Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die geltenden Normen, die auszugsweise auf der ersten Seite genannt wurden, verbindlich bei Umbauten und Modernisierungen Anwendung finden? 
  • Wie gewährleisten Sie, dass die Kostenübernahme für entsprechende Hilfsmittel ohne Vorbehalte, transparent, ohne bürokratischen Mehraufwand und unabhängig von den persönlichen Gegebenheiten gestaltet wird? 
  • Werden Sie einen Etat bereitstellen für die Finanzierung von Schriftdolmetschern oder anderen Kommunikationsdiensten auf öffentlichen Veranstaltungen, Weiterbildung bei der VHS usw.? 
  • Werden Sie für die Ausstattung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Haltestellen mit Texthinweisgebern (z.B. Monitore) und einheitlichen Hinweisschildern stimmen? 

Antwort

Die von Ihnen genannten Maßnahmen sind sinnvoll und sollten ein Teil eines Konzeptes für eine barrierefreie Verwaltung sein, mit Zeitplan und Finanzplan. Das werden wir beantragen bzw. unterstützen. Es sollten bei jeder Vorlage der Verwaltung die Auswirkungen auf die Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe dargestellt werden. Bei Baumaßnahmen ist die Einhaltung der von Ihnen genannten Normen für Barrierefreiheit darzustellen. Der von Ihnen genannte Etat muss bereit gestellt werden und sollte mit den Betroffenen-Verbänden abgestimmt werden.

Schule und Ausbildung

Fragen

  • Wie stehen Sie zu der Forderung, akustische Sanierungen in den Schulen durchzuführen und eine Ausstattung mit Audio-Übertragungssystemen vorzunehmen? Wann soll damit begonnen werden? 
  • Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass vorhandene Hilfsmittel an Schulen auch verlässlich eingesetzt werden? 
  • Wie werden Sie die Aufklärung des Kollegiums über inklusive Bedarfe fördern? 
  • Werden Sie Hilfsmittel für Schüler und Auszubildende bereitstellen, die diese nach Vollendung des 18. Lebensjahres nicht mehr von der Krankenkasse bekommen? 

Antwort

Die von Ihnen genannten Maßnahmen sind sinnvoll und sollten ein Teil eines Konzeptes für eine barrierefreie Verwaltung sein, mit Zeitplan und Finanzplan. Das werden wir beantragen bzw. unterstützen. Es sollten bei jeder Vorlage der Verwaltung die Auswirkungen auf die Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe dargestellt werden. Bei Baumaßnahmen ist die Einhaltung der von Ihnen genannten Normen für Barrierefreiheit darzustellen. Der von Ihnen genannte Etat muss bereit gestellt werden und sollte mit den Betroffenen-Verbänden abgestimmt werden.

Senioren

Fragen

  • Wie werden Sie auf die Qualität in der Pflege hinwirken, dass das Pflegepersonal ausreichend geschult wird und ausreichend Zeit erhält, den zu pflegenden Personen mit Hörbeeinträchtigung ihre persönlichen Hörhilfsmittel korrekt anzulegen?
  • Werden Sie Beratungsdienste für Senioren für Kommunikationsbarrierefreiheit sensibilisieren?
  • Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Begleitdienste oder ähnliches für Senioren oder hilfsbedürftige Personen organisiert werden für Gänge zum Arzt, zum Akustiker oder in die behandelnde Nachsorge-Klinik?
  • Werden Sie besonders bei Veranstaltungen für Senioren darauf achten, dass Räume mit guter Akustik und Beschallungsanlagen verwendet werden und induktive Anlagen eingesetzt werden?
  • An wen können sich Bewohner oder Patienten wenden, wenn Sie keinen Ansprechpartner haben, der mit ihnen deutlich spricht? 

Antwort

Die von Ihnen deutlich angesprochenen Probleme von älteren Menschen sind uns bewusst. Viele ältere Menschen sind auf Grund ihrer Behinderungen von der Teilhabe am gesellschaftlichen, sozialen und kulturellem Leben ausgeschlossen. Dazu kommt die wachsende Altersarmut, die eine weitere Barriere darstellt. Gerade bei der Beschaffung eines optimalen Hörgerätes ist das ein Problem: Oft fallen dafür Zuzahlungen von mehreren hundert, mehreren Tausend EURO an, die sich viele Senior*innen nicht leisten können.

Das Problem der Schulung von Pflegepersonal ist natürlich unmittelbar mit dem Problem des Personalmangels in der Pflege verbunden. Eine Möglichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren wäre eine Veranstaltung auf Stadtebene gemeinsam mit den Trägern, der Gewerkschaft ver.di und z.B. dem Schwerhörigenverband. 

Die Einrichtungen der Stadt sollten insgesamt barrierefrei für alle Menschen gestaltet sein, so dass auch Senior*innen - egal mit welcher Form der Beeinträchtigung  - gut teilnehmen können. Die von Ihnen vorgeschlagene Sensibilisierung der Beratungsdienste und die Einrichtung von Begleitdiensten unterstützen wir. Es ist auch eine Zusammenarbeit mit den EUTB`s wünschenswert.

Für eine deutliche Kommunikation sollten sie Bewohner und Patienten z.B. an den jeweiligen Beirat und die Verwaltung wenden können.

Gesellschaftliche und politische Teilhabe

Fragen

  • Werden Sie für die komplette Kostenübernahme für Schrift- und Gebärdensprachdolmetscher in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens stimmen? 
  • Werden Sie Kommunikationshilfen bei politischen Veranstaltungen bereitstellen? 
  • Hat in Ihrer Kommune ein Mensch mit Hörbeeinträchtigung schon einmal Leistungen aus der Eingliederungshilfe für das Ehrenamt erhalten? Welches sind in Ihren Augen die größten Hürden bei der Antragstellung?
  • Gibt es in Ihrer Partei Hörgeschädigte, die als Amtsträger tätig sind? 

Antwort

Wir als LINKE stimmen für eine komplette Kostenübernahme, denn nur so ist eine gleichberechtigte Teilhabe möglich. Dazu gehört natürlich auch, dass Kommunikationshilfen bei politischen Veranstaltungen bereitgestellt werden. Die oben erwähnten mobilen FM-Anlagen unserer Partei können ausgeliehen werden und werden z.T. zum Beispiel bei kreisweiten Veranstaltungen eingesetzt.

Ob in Gladbeck ein Mensch mit Hörbeeinträchtigung schon Leistungen aus der Eingliederungshilfe für das Ehrenamt erhalten hat, können wir nicht beantworten, wäre aber sicher eine Anfrage wert. Wie bei jedem Antrag sehen wir als größte Hürde die benutzte Sprache an. Die Verwaltung muss eine einfachere Sprache benutzen, Formulare in Leichter Sprache müssen bereitgestellt werden.

Sowohl in Landesvorständen unserer Partei wie auch in Kommunalparlamenten sind Hörgeschädigte für unsere Partei tätig und vertreten sie.

Wir hoffen, wir haben Ihre Fragen ausreichend beantwortet. Wir erneuern nochmal unser Gesprächsangebot. Wir würden gerne mit Ihnen gemeinsam besprechen, wie Gladbeck barrierefreier werden kann und welche Maßnahmen Sie für sinnvoll halten.

Mit freundlichen Grüßen,

Olaf Jung, Bürgermeisterkandidat für Gladbeck

Rolf Kohn, Landratskandidat

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