Franz Kruse zur gewonnenen Organklage gegen den BM, Ratssitzung vom 10.10.2019

Franz Kruse
Rede Sonstiges

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Bürgermeister, liebe Gäste,

es ist nun das zweite Mal, dass ein Gericht bei Herrn Roland Demokratieverstöße im Amt festgestellt hat.

Beim ersten Mal hat das Gericht eine unzulässige Einschränkung des demokratischen Öffentlichkeitsprinzips einer Ratssitzung festgestellt, als Bürgermeister Roland glaubte, durch Platzreservierungen und quotierter Ausgabe von Platzkarten sich sein Wunschpublikum hier im Ratsaal zusammen stellen zu können.

Jetzt hat das Gericht ihm undemokratische Sitzungsleitung attestiert, weil er das Kernrecht der Ratsmitglieder (so der O-Ton von Richter Lehmann), das freie Rederecht, ausgehebelt hat. Nachdem er drei Mal falsche Behauptungen zu meinem Redebeitrag aufgestellt hatte, hat er als Sitzungsleiter meinen Redebeitrag dann abgewürgt und mich vom Mikrofon verwiesen.

Nachdem der Bürgermeister sogar selbst zum Thema geredet hatte, wie der Richter feststellte, hat er mir verboten dazu zu reden. Man mag daran die Auffassung des Bürgermeisters von Meinungsfreiheit ermessen: „Wenn ich eine Meinung verkündet habe, hat niemand mehr zu widersprechen.“ Aber so geht das nun mal nicht. In unserem Grundgesetz steht: “Eine Zensur findet nicht statt“, aber im Gladbecker Stadtrat soll anscheinend nur das gesagt werden dürfen, was Herrn Roland passt?

Herr Bürgermeister, ich bin sehr besorgt über ihr offenbar gestörtes Verhältnis zur Demokratie. Das, was Sie tun, ist willkürliche Machtausübung ganz nach Gutsherrenart. So etwas dürfte es 70 Jahre nach Gründung der demokratischen Bundesrepublik in unserem Land gar nicht mehr geben. Es ist gut und notwendig, dass es Fraktionen und Ratsmitglieder gibt, die das Grundgesetz der Bundsrepublik Deutschland durchsetzen, notfalls eben auch gerichtlich.

Sorge macht auch, dass Sie frühzeitig öffentlich angekündigt haben, dass Sie ein Urteil des Gerichtes, wenn es gegen Sie ausfällt, nicht zu beachten gedenken. Nach dem Urteil hatten Sie auch nichts Besseres zu tun, als Richterschelte zu betreiben. Das Urteil wäre „weltfremd“. Ähnliche Äußerungen sind mir ansonsten nur von Recep Tayyip Erdoğan oder Donald Trump bekannt. Eine feine Gesellschaft, in die Sie sich da begeben! (Spontan eingefügt nach Rolands Redebeitrag: Auch jetzt zeigten Sie in Ihrer Erklärung keinerlei Einsicht.]

Wir alle müssen uns fragen, wie weit Ihr gestörtes Verhältnis zur Demokratie Sie noch treiben wird. Immerhin werden sie noch ein Jahr dem Stadtrat vorsitzen. Ich – und wir alle – können nur hoffen, dass nach dem jetzigen Urteil des Verwaltungsgerichtes gegen Sie nun auch Ihre seit langem üblichen, herabwürdigenden Äußerungen gegen Mitglieder der Opposition endlich unterbleiben. Sie haben sich den Vortrag des Richters ja offenbar nicht anhören mögen und sind zur Verhandlung gar nicht erst erschienen, obwohl der Termin Monate vorher bekannt war. Das verwundert mich persönlich jetzt nicht, denn mir scheint, Sie sind nur mutig, wenn Sie hier im Ratssaal eine Mehrheit hinter sich haben (spontan eingefügt mit Verweis auf das Verhalten der SPD: „so wie heute zu sehen“) und Ordnungskräfte, die - wann immer Sie mögen - Ihre Anweisungen handfest durchsetzen können. Vor Gericht wären Sie hilflos gegenüber den Ansagen des Richters gewesen, darum haben Sie gekniffen.

Hier im Ratssaal aber glaubten Sie sich immer machtvoll und verstießen in so gut wie jeder Sitzung gegen das Neutralitätsgebot, dem sie als Vorsitzender des Rates unterliegen. Das ist aus Sicht der Opposition Gesetzesmissachtung in Serie! Das Redeverbot, das Sie gegen mich erlassen haben, war nur die krönende Spitze eines Eisberges. In praktisch jeder Sitzung putzten sie Ratsmitglieder herunter, nur weil die eine andere Meinung vertraten als Sie. Sie kritisierten in unmöglicher Manier vom Platz des Ratsvorsitzenden her die Ihnen unliebsamen Redebeiträge, wo immer eine andere Meinung oder eine andere Darstellung als die Ihre vorgetragen wurde. Sie verdrehen dem Redner das Wort im Mund um ihn dann der Unwahrheit zu bezichtigen (z.B. Muezzinruf bei H. Drosdzol: aus die gesagte „Prämisse“ deutete er zu einer „Bestimmung in der Baugenehmigung“ um) Als sich ein Mitglied einer anderen Fraktion als der Ihrigen versehentlich im Redebeitrag ganz schlicht mal vertan hat, unterbrachen Sie ihn verbotenerweise sofort und beschimpften ihn wegen eines angeblichen „Mangels an Grundehrlichkeit“. Und wenn Ihr Verhalten dann kritisiert wird, behaupten Sie noch, genau dafür hätten die Wähler sie mit Mehrheit zum Bürgermeister gewählt.

Sie sitzen aber hier nicht aufgrund Ihres Wahlergebnisses im Sessel des Ratsvorsitzenden. Sie sitzen dort aufgrund einer Bestimmung der Gemeindeordnung des Landes NRW. Und in der Gemeindeordnung steht ganz gewiss nicht, dass sie als Ratsvorsitzender die Aufgabe hätten, eine Ratssitzung parteiisch zu leiten; ganz im Gegenteil: Sie haben als Ratsvorsitzender eine Neutralitätspflicht! 

Warum also erlauben Sie regelmäßig Ihren Parteikollegen Zwischenrufe, die sie bei Oppositionsmitgliedern sofort rügen?

Warum glauben Sie, sogar Zuschauer, die sich hier ja gar nicht zur Wehr setzen können, so sehr beschimpfen zu dürfen, dass die sich beleidigt fühlen? [ Nicht gesagt: Natürlich haben Sie im Falle des von Ihnen beschimpften Bürgerforumsvorsitzenden vorher 2 Ordnungskräfte im Zuschauerraum postiert. (Motto: Sag jetzt nichts Falsches, sonst passiert was!)]

Warum glaubten Sie, aufgrund eines kritisierenden Briefes an Sie persönlich als den Ratsvorsitzenden, in dem von einer nicht demokratietauglichen Sitzungsleitung die Rede war, den Kritiker wegen Beleidigung des Stadtrates anzeigen zu dürfen, wo doch das Wort „Stadtrat“ im Brief gar nicht vorkam und sich Ratsmitglieder gar nicht beleidigt gefühlt haben? Sie haben uns, die Ratsmitglieder nicht einmal befragt und waren von uns nicht mit einer Beleidigungsklage beauftragt. Kein Wunder, dass Sie den Prozess mit Pauken und Trompeten verloren haben. Die damals bereits mitgelieferte gerichtliche Standpauke über den Stellenwert von Meinungsfreiheit hätten Sie beherzigen müssen!

Fünf solcher oder ähnlicher Klagen von Ihnen sind mir bekannt. Nicht ein Beklagter wurde verurteilt. Gewinnen tut nur Ihre Anwaltskanzlei, obwohl Sie eine eigene Rechtsabteilung im Hause hätten. [Nicht gesagt: Dabei gehen Sie persönlich kein Risiko ein, die Stadt zahlt ja die teure Anwaltskanzlei, von der Sie sich vertreten lassen.]

Herr Bürgermeister: Sie sind in Gladbeck nicht zum Gutsherren gewählt worden. Die Stadt Gladbeck ist nicht Ihr Eigentum und die Ratsmitglieder sind nicht Ihre Lakaien. Unsere Bürger sind nicht Ihre Untertanen, auch nicht die Ihnen gegenüber kritsch Eingestellten!

Ich bitte dringend darum, die Würde des Rates, seiner Mitglieder und aller Bürger der Stadt Gladbeck künftig stärker zu wahren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.