Neues Rathaus als PPP-Modell

Franz Kruse
Anfrage Haushalt und FinanzenAnfrage planen und bauen

Im Rahmen der Entscheidung, ob der Neubau des Heisenberg Gymnasiums -so wie von der Beraterfirma Ernst&Young empfohlen- als PPP-Projekt oder aber in Eigenleistung realisiert werden soll, müssen die Erfahrungen des ebenfalls von Ernst ijind Young beurteilten PPP-Projektes Neues Rathaus konkret zur Verfügung stehen.

Eine Evaluierung des Rathausprojektes hat bisher nicht stattgefunden. Es gibt lediglich allgemeine Aussagen! über „gute Erfahrungen" beim Ratshausprojekt. Dieser Allgemeipplatz ist eine unzureichende Entscheidungshilfe Tür das Projekt Heisenberg Gymnasium. Es müssen’ dem Rat der Stadt Gladbeck vor seiner Entscheidung zum Heisenberg Gymnasium die realen Erfahrungen bdi der Entwicklung des PPP-Projekts neues Rathaus umfänglich und konkrei zur Verfügung stehen.

DIE LINKE, bittet den Bürgermeister um Antworten auf folgende Fragen:

  1.  Welche Summe wurde als Grundlage für die seinerzeitige Entscheidung des Stadtrates über die Realisierung des neuen Rathauses als PPP-Projekt als monatliche Nutzungsgebühr genannt?
  2. Berücksichtigte die seinerzeitige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Ernst&Young, dass die Stadt Gladbeck diese Nutzungsgebühren über höher verzinsliche Kassenkredite fmanzieren muss?
  3. Welche Summe wurde zu Beginn der Zahlung der Nutzungsgebühren von der Stadt Gladbeck monatlich an den Betreiber gezahlt?
  4. Welche Summe wurde Im Jahr 2010 als Nutzungsgebühr von der Stadt Gladbeck monatlich an den Betreiber gezahlt?
  5. Welche Summe wird heute alls Nutzungsgebühr von der Stadt Gladbeck monatlich an den Betreiber gezahlt?
  6. Ist absehbar, wie sich die Zahlungshöhe für die monatliche Nutzungsgebühr innerhalb der nächsten 10 Jahre entwickeln wird?
  7. Wie hoch ist die Summe incl. Zinsschulden, die mittlerweile an Krediten und Kassenkrediten für das neue Rathaus aufgenommen wurde?
  8. Wie hoch wird die von der Städt Gladbeck für das neue Rathaus insgesamt gezahlte Summe -von Baukosten über Nutzungsentgelte und dem Kapitaldienst für Eigenmittel, aufgenommene Kredite, Kassenkredite oder Fremdkredite- voraussichtlich sein, bis dass sich das neue Rathaus incl. dem dazugehörenden Grundstück im Besitz der Stadt Gladbeck befindet?
  9. Welche ursprünglich zugesicherten Vertragsleistungen werden vom Betreiber nicht zur Verfügung gestellt (z.B. Kantine?)?
  10. Waren in der Vergangenheit I Nutzungen des Rathauses nicht möglich, weil sie nicht im Interesse des Betreibers waren?
  11. Wie oft und in welchem  Umfang musste die Stadt für Mängelbeseitigungen/ Nachrüstungen am Rathaus aufkommen (z.B. Schneefanggitter?)?

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Antwort:

Ulrich Roland, Bürgermeister

Einleitend möchte ich einige allgemeine Anmerkungen zur Umsetzung dieses Großprojektes machen.

Neues Rathaus als PPP-Modell

Bei dem Projekt „Abriss der Bürotürme / Neubau eines Verwaltungsgebaudes" hat sich die Stadt Gladbeck seinerzeit einvernehmlich mit den politischen Gremien im Ergebnis fur ein PPP-Modell entschieden, weil ein Wirtschaftlichkeitsvergleich mit der Eigenrealisierungsvariante einen erheblichen Effizienzvorteil ergab. Begleitet und unterstutzt wurde die Stadt Gladbeck dabei von

  • der PPP-Taskforce des Finanzministeriums NRW
  • dem Beratungsunternehmen Ernst & Young (fur den wirtschaftlichen und technischen Part)
  • den Rechtsanwälten Bird & Bird (fur verfahrensrechtliche, vergaberechtliche Aspekte und die Ausarbeitung des Vertragswerkes)

Vor der Vergabe und Vertragsunterzeichnung wurde zudem die Kommunalaufsicht des Kreises beteiligt, die nach Prüfung der Unterlagen „grünes Licht" gab. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der veranschlagte Kostenrahmen und Zeitrahmen fur das PPP-Projekt „Abriss der Bürotürme / Bau und Betrieb des neuen Rathauses" vollends eingehalten wurde.

Finanzierung

In dem Schreiben vom 24.06.20015 wird an mehreren Stellen auf Kassenkredite hingewiesen, die „fur das neue Rathaus" aufgenommen wurden. Sowohl das Nutzungsentgelt, d.h. die Betriebskosten als auch der Schuldendienst (Zinsen, Tilgung) sind im städtischen Haushalt veranschlagt. Durch Liquiditätskredite (=Kassenkredite) werden Unterdeckungen durch Einnahme- und Ausgabedifferenzen ausgeglichen. Auch die Stadt Gladbeck finanziert ihre Auszahlungen teilweise uber Liquiditätskredite. So mussten im Durchschnitt der Jahre 2008 - 2014 knapp 10 % aller konsumtiven Auszahlungen durch Liquiditätskredite finanziert werden. Kurzfristige Liquiditätskredite sind in der Regel kostengünstiger als langfristige Investitionskredite.

Bei den zu leistenden Auszahlungen fur das neue Rathaus ist es unerheblich, ob das neue Rathaus - wie geschehen - als PPP-Modell errichtet wurde oder in Eigenvariante realisiert worden ware. In beiden Fallen sind Zins- und Tilgungszahlungen sowie Betriebskosten zu leisten, die ggf. anteilig uber Liquiditätskredite zu finanzieren sind. Die Auszahlungen fur das neue Rathaus sind aber auch nur marginal im Vergleich zu anderen Kostenblocken im Haushalt (insgesamt rd. 202 Mio. €). Sie betragen aktuell rd. 1,9 Mio. €/Jahr (also nur rund 1% aller Kostenblocke), davon rd. 1,1 Mio. € fur Zins- und Tilgung und rd. 0,8 Mio. € fur Betriebskosten (Nutzungsentgelt). Hingegen betragen die Personalaufwendungen z.Zt. rd. 50 Mio. €/Jahr und Sozialleistungen von rd. 60 Mio.

An dieser Stelle muss aber erwähnt werden, dass der private Betreiber auf Grund der Gestaltung der PPP-Projektvertrage von der Bank kommunalkreditähnliche Konditionen erhalten hat. Dadurch konnten die Gesamtkosten des Projektes reduziert und eine Senkung des Nutzungsentgeltes erreicht werden.

Indexierung

Mit den Projektverträgen wurde eine Indexierungsregelung vorgenommen, die das Inflationsrisiko aus Preissteigerung zum Teil auf den privaten Partner verlagert. So sind beispielweise die Betriebskosten indexiert. Das bedeutet, dass nicht jede Preissteigerung, anders als bei einer Eigenrealisierung, gleichzeitig zu einer Erhöhung der Betriebskosten fuhrt. Diese werden nur angepasst, wenn die Gesamtkosten, also alle Bestandteile der Betriebskosten, um 5 % gestiegen sind. Dies ist nach den derzeitigen Erfahrungen ungefähr alle 2 Jahre der Fall. Bei Eigenrealisierung wurde das Risiko der Preissteigerungen vollständig durch die Stadt getragen, d.h. jede Preiserhöhung jeder Kostenkomponente (Energiekosten, Gebuhren, Hausmeisterwesen etc.) wurde zu einer Erhöhung der Betriebskosten fuhren und zwar sofort.

Die konkreten Fragen werden wie folgt beantwortet:

Frage 1:

Am 14.07.2003 hat der Haupt- und Finanzausschuss einstimmig entschieden, dass das Projekt „Abriss der Bürotürme/Neubau eines Verwaltungsgebäudes" im Rahmen eines PPP-Modells zu realisieren ist. Die Verwaltung wurde beauftragt, die Ausschreibungsunterlagen unverzuglich zu erstellen (Beschluss 43/2003). Als Grundlage diente die Wirtschaftlichkeitsprognose von Ernst & Young. Diese wurde nach der sog. PSC Methode durchgefuhrt (Public Sektor Comparator). Dabei wurden die Summen aller Kosten und Risiken einer möglichen Eigenerstellung mit denen einer PPP-Realisierung wahrend des gesamten Nutzungszeitraums verglichen. Es wurden Barwerte ermittelt, die die Grundlage fur einen Vergleich ermöglichen. Unter den dargestellten Annahmen ergab sich ein Effizienzvorteil von 1,4% bis 10,9% fur die PPPRealisierung.

Ebenfalls einstimmig hat der Haupt- und Finanzausschuss entschieden, dass bei der Festlegung der Höhe des von der Stadt Gladbeck zu zahlenden Nutzungsentgeltes für das neue Verwaltungsgebaude die Aspekte einer nachhaltigen Funktionalitat und Werthaltigkeit der Immobilie zu berucksichtigen sind. Qualitäts- und Kostenziele sind so in Einklang zu bringen, dass ein marktübliches Nutzungsentgelt entsteht. Die Frage, ob das Nutzungsentgelt eine Amortisationskomponente fur das Investment enthalten soll - und falls ja, in welchem Umfang - war noch zu klären (Beschluss 49/2003). Die Höhe des Nutzungsentgeltes stand noch nicht fest.

Am 20.09.2004 hat der Haupt- und Finanzausschuss entschieden, dass das Projekt „Abriss der beiden Büroturme / Neubau und Betrieb des neuen Verwaltungsgebäudes" wegen der wirtschaftlichen Vorteile im Rahmen eines PPP-Modells realisiert wird und der Zuschlag auf das Angebot der Bietergemeinschaft Hochtief erfolgt. Dem Angebot lag ein gesamtes Nutzungsentgelt von 146.283 € monatl. zugrunde. Im Vergleich dazu ergab der Wirtschaftlichkeitsnachweis bei der kommunalen Variante (PSC) mit 169.459 € ein um rd. 23.200 € hoheres Nutzungsentgelt.

Das von Hochtief benannte Nutzungsentgelt setzte sich zusammen aus:

  1. Kosten fur den anfanglichen Kapitaldienst fur die Sanierung, Abriss und den Neubau in Hohe von 93.376 € / monatl. und
  2. dem „reinen" Nutzungsentgelt, den Betriebskosten, von 52.907 €, dazu zahlen insbesondere
  • Instandhaltung, Instandsetzung, Schönheitsreparaturen und sonstige Folgekosten
  • Energiekosten fur Heizung, Warmwasser und Strom
  • Kosten fur Wasser, Abfallentsorgung, Strasenreinigung
  • Versicherungen
  • Hausmeisterdienste
  • Reinigung und Pflege des Gebäudes und der Außenanlagen

Sofern bei der weiteren Beantwortung der Fragen Aussagen zum Nutzungsentgelt gemacht werden, handelt es sich um das „reine Nutzungsentgelt" (also den Betriebskosten), wie v.g beschrieben. Die Höhe der Kosten fur den Schuldendienst (Zinsen und Tilgung) ist nach dem Raten- und Leistungsplan vom 07.10.2004 zur Stundungsvereinbarung zwischen der Stadt Gladbeck und der Westdeutschen Immobilienbank festgeschrieben auf monatlich 92.407,20 €. Dieser Aufwand wird sich zum Ablauf der Zinsfestschreibung (31.08.2016) ändern.

Frage 2:

Wie bereits zu Frage 1 dargelegt, wurden bei der Wirtschaftlichkeitsprognose die Summen aller Kosten und Risiken einer moglichen Eigenerstellung mit denen einer PPP-Realisierung während des gesamten Nutzungszeitraums verglichen. Im Übrigen verweise ich auf meine grundsätzlichen Ausführungen zum Thema „Finanzierung" zu Beginn meiner Stellungnahme.

Frage 3:

Zu Beginn der Zahlungen betrugen die Betriebskosten 54.390,23 €. Die 1. Rate, die im September 2006 fallig war, wurde reduziert auf 41.040,08 € aufgrund der eingeschrankten Nutzungsfahigkeit in den ersten 2 Wochen. Die Nebenkostenabrechnung fur das Jahr 2006 ergab eine Erstattung i.H.v. 964,42 €.

Frage 4:

Die durchschnittlichen monatlichen Betriebskosten im Jahr 2010 betrugen unter Berücksichtigung der Nebenkostenabrechnung 61.495,10 €.

Frage 5:

Zurzeit werden monatliche Betriebskosten in Hohe von 69.321,66 € gezahlt. Die tatsachlichen durchschnittlichen Betriebskosten fur 2015 konnen erst nach erfolgter Nebenkostenabrechnung (Anfang 2016) ermittelt werden.

Frage 6:

Es ist nicht absehbar, wie sich die Zahlungshöhe innerhalb der nächsten 10 Jahre entwickeln wird, da nach den Projektverträgen eine Erhöhung der monatlichen Betriebskosten in folgenden Fällen zulassig ist:

  • Leistungsanderungen nach Vertragsabschluss
  • Erhohung des Gesamtverbraucherpreisindex von mehr als 5 %

Nach den Projektverträgen sind alle unter der Antwort 1. aufgeführten Anteile der Betriebskosten indexiert. Eine Änderung der Betriebskosten bleibt außer Betracht, wenn sich der Gesamtindex aller Anteile um weniger als 5 % ändert. Die Betriebskosten wurden seit Beginn der Betriebsphase (01.09.2006) insg. 5 x angepasst. Ich verweise auch hier auf meine grundsätzlichen Ausführungen zum Thema „Finanzierung" zu Beginn meiner Ausführungen.

Frage 7:

Zur Finanzierung des Projektes zahlt die Stadt Gladbeck Zinsen und Tilgung für ein Darlehen in Höhe von 16.378.390 €. Bis einschl. 30.06.2015 hat die

Stadt Gladbeck dafür geleistet:

  • Zinsen: 5.817.791,73 €
  • Tilgung: 3.792.557,07 €

Fur die laufenden Tilgungs- und Zinszahlungen müssen Kassenkredite in Anspruch genommen werden, wenn die laufenden Erträge die Aufwendungen im Ergebnisplan nicht decken. Ich verweise hier nochmals auch auf meine Ausführungen zum Thema „Finanzierung".

Frage 8:

Einleitend möchte ich erwähnen, dass die Stadt Gladbeck nach den Projektverträgen zu jeder Zeit Grundstückseigentümerin war und ist und somit das Gebäude als Sicherheit dient. Nach dem Raten- und Leistungsplan zur Stundungsvereinbarung zwischen der Stadt Gladbeck und der Westdeutschen Immobilienbank vom 07.10.2004 waren in 25 Jahren Zins- und Tilgungszahlungen in Höhe von 27.537.345,60 € zu leisten. Es ist aber zum jetzigen Zeitpunkt damit zu rechnen, dass der Zinsanteil nach Ablauf der 10-jährigen Zinsbindung zum 01.09.2016 auf Grund des derzeitigen Zinsniveaus erheblich sinken wird, so dass die Gesamtsumme fur den Schuldendienst deutlich nach unten korrigiert werden muss. Die genaue Höhe lasst sich derzeit noch nicht beziffern.

Fur die Betriebskosten sind bis einschlieslich 30.06.2015 Kosten von insg. 6.526.221,66 € entstanden. Bei einer Restlaufzeit des Vertrages bis zum 31.08.2031 wurden bei Zugrundelegung der derzeitigen Betriebskosten noch Kosten in Höhe von 13.448.402,04 € entstehen. Da die Betriebskosten indexiert sind, kann erfahrungsgemas mit einer Erhohung von rd. 5 % alle 2 Jahre gerechnet werden, so dass sich der Gesamtbetrag der zu zahlenden Betriebskosten höher ausfallen wird.

Frage 9:

Nach den Projektvertragen hat der private Partner bei der Gebäudeplanung zu berücksichtigen, dass der Betrieb einer Cafeteria innerhalb des Verwaltungsgebäudes moglich ist. Die Cafeteria unterliegt selbst nicht der Nutzung durch die Stadt Gladbeck. Sie dient jedoch neben der Bewirtung von Besuchern des Verwaltungsgebäudes den Mitarbeitern der Stadt Gladbeck als Cafeteria mit Kantinenfunktion. Zu diesem Zweck hat der private Partner den Betrieb entweder selbst oder durch Dritte zu gewährleisten. Mangels geeigneter Bewerber konnte dies jedoch seit Ende 2011 nicht erfolgen. Ein finanzieller Nachteil ist der Stadt Gladbeck dadurch nicht entstanden. Alle nutzungsrechtlich relevanten Vertragsleistungen werden durch den Betreiber Hochtief erbracht.

Frage 10:

Nein, es gab keine Einschränkungen der Nutzung.

Frage 11:

Mit den Betriebskosten sind auch die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung abgegolten. Die Kosten fur Leistungsanderungen in der Betriebsphase, wie z.B. für zusätzlich gewünschte bauliche Maßnahmen, trägt die Stadt Gladbeck. Hierbei hat die Stadt Gladbeck in Abhängigkeit des Auftragswertes das Wahlrecht, ob sie die Kosten unmittelbar trägt oder sie auf die Betriebskosten umgelegt werden sollen.

Als bauliche Maßnahmen im Rahmen einer Leistungsanderung sind zu nennen:

  • Umbaumaßnahmen in verschiedenen Büroräumen (2010, 2014)
  • Installation von Schneefanggittern (2011)
  • Umrüstung Automatiktüren ( 2011)
  • Erweiterte Schallschutzmasnahmen im Burgeramt (2013)
  • Einbau von Türspionen und Wechselgarnituren (Knaufe an Turen) im Bereich des Allgemeinen sozialen Dienstes im Amt fur Jugend und Familie im Rahmen der Gewaltprävention (2014)
  • Änderung der Austauschzyklen fur Brandmelder (zusätzlicher 2-maliger Austausch innerhalb der Vertragslaufzeit - 2015)

Die vorstehend aufgelisteten Masnahmen wären unabhängig von dem PPPModell auch in der Eigenvariante notwendig gewesen.


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