Sanktionsregelungen SGB II

Olaf Jung
Anfrage Soziales

Laut den bestehenden Sanktionsregelungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und den Einschränkung der Leistungen im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) können Leistungsbeziehern die Bezüge gekürzt werden. Hierzu stelle ich folgende Fragen:

  1. Wie viele Sanktionen der verschiedenen Stufen bis zur höchsten Sanktionsstufe (Leistungskürzungen auf null Euro) wurden durch das Jobcenter Gladbeck insgesamt, für junge Menschen unter 25 Jahren und für Menschen über 25 Jahren in den Jahren 2016 und 2017 und 2008 ausgesprochen (absolut und in Prozentangaben)?
  2. Welche Gründe führten zur Verhängung von Sanktionen in den jeweiligen Stufen bis hin zur Kürzung auf null Euro Leistung in den Jahren 2016 und 2017 für junge Menschen unter 25 Jahren und für Menschen über 25 Jahren?
  3. Wie viele verhängte Sanktionen der verschiedenen Stufen und Altersbereiche wurden durch Widersprüche beziehungsweise durch gerichtliche Feststellungen in den genannten Jahren zurückgenommen?
  4. Wie viele Bedarfsgemeinschaften mit Kindern und/oder Jugendlichen waren in den Jahren 2016 und 2017 von Sanktionen des Jobcenters Gladbeck betroffen (absolut und in Prozentangaben)?
  5. Wie viele Bedarfsgemeinschaften mit Alleinerziehenden und Kindern und/oder Jugendlichen waren in den Jahren 2016 und 2017 von Sanktionen des Jobcenters Gladbeck betroffen (absolut und in Prozentangaben)?
  6. Wie viele Kinder und Jugendliche waren in den sanktionierten Bedarfsgemeinschaften insgesamt betroffen?
  7. Welche Kenntnisse hat die Stadt Gladbeck darüber, wie Menschen, die durch Leistungskürzungen sanktioniert wurden, ihren Lebensunterhalt und ihre Mietzahlungen bestreiten?
  8. Liegen der Stadt Gladbeck Erkenntnisse über Fälle vor, in denen die Sanktionierung durch Leistungskürzung zu Mietschulden und infolgedessen zu Wohnungslosigkeit führte?

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Antwort

Rainer Weichelt, 1. Beigeordneter

Bevor ich auf die Beantwortung der Fragen im Detail eingehe, mochte ich noch einmal die Grundsatze des Sozialgesetzbuchs II in Erinnerung rufen. Bei der „Grundsicherung fur Arbeitsuchende", landlaufig Hartz IV genannt, handelt es sich um eine Solidarleistung der Gesellschaft fur Menschen, die aktuell ihr Leben nicht durch Arbeit und eigene Einkunfte sichern konnen. Das gesamte Gesetz steht unter dem Leitgedanken „Fordern und Fordern". Der Gesetzgeber erwartet im Gegenzug fur die Solidarleistung, dass erwerbsfahige Leistungsberechtigte alle Moglichkeiten aktiv ausschopfen um die Hilfebedurftigkeit zu beenden oder zu verringern. Kommen Leistungsberechtigte dieser Forderung nicht nach, verweigern sie z.B. die Teilnahme an Fordermasnahmen wie Weiterbildungen, Praktika etc., sieht der Gesetzgeber Sanktionen vor.

Dies ist der Grundsatz, uber den weitgehender gesellschaftlicher Konsens besteht.

Leistungseinschrankungen fur Empfanger von Leistungen nach § 39 a SGB XII sind hier bisher nicht vorgenommen worden. Die Aufnahme einer Tatigkeit, bzw. Teilnahme an einer Masnahme zur moglichen Wiedereingliederung beruht auf Freiwilligkeit, da diesem Personenkreis in der Regel aufgrund gesundheitlicher Einschrankungen eine Tatigkeit nicht zugemutet werden kann.

Die konkreten Fragen beantworte ich wie folgt:

Frage 1:

2016515 
Personen unter 25 Jahren140 
Personen ab 25 Jahren375 

2017 (Jan - Okt.)

441 
Personen unter 25 Jahren139
Personen ab 25 Jahren302

 

Hinweis 1 Datenschutz: Aus Datenschutzgrunden und Grunden der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. Daruber hinaus unterliegen Informationen der Grundsicherungsstatistik auch der statistischen Geheimhaltung, wenn sie sich nur auf 1 oder 2 Bedarfsgemeinschaften beziehen.

Hinweis 2 Sanktionsstufen: Die Sanktion betragt 10 % des nach § 20 masgebenden Regelbedarfs bei Meldeversaumnissen sowie mindestens 30 % bei den anderen Pflichtverletzungen, abhangig vom Alter und erster oder wiederholter Pflichtverletzung und wirkt regelmasig fur einen Zeitraum von 3 Monaten (§§ 31, 31 a und 31 b SGB II). Die o.a. Zahlen konnen nicht nach der Sanktionshohe weiter heruntergebrochen werden. Abgebildet ist jeweils die Anzahl der neu festgestellten Sanktionen mit den zugehorigen Sanktionsgrunden nach den §§ 31 (Pflichtverletzungen) und 32 (Meldeversaumnisse) des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei ist nicht erfasst, ob es Sanktionen wegen wiederholter Pflichtverletzungen sind. Eine Angabe zu Leistungskurzungen auf null ist daher nicht moglich.

Bezogen auf die durchschnittliche Anzahl der erwerbsfahigen Leistungsbeziehenden im Alter unter 25 Jahren bzw. 25 Jahren und alter fur den angegebenen Zeitraum (2016 Jahresdurchschnittswert, 2017 Durchschnittswert Januar bis Oktober) ergeben sich folgende prozentuale Anteile:

20166,4 % 
Personen unter 25 Jahren8,3 % 
Personen ab 25 Jahren5,9 % 

2017 (Jan - Okt.)

5,1 % 
Personen unter 25 Jahren7,5 %
Personen ab 25 Jahren4,4 %

 

Frage 2:

Die Sanktionsgrunde fuhrt das SGB II abschliesend auf:

§ 31 Pflichtverletzungen

(1) Erwerbsfahige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung uber die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

  1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 3 Satz 3 festgelegte Pflichten zu erfullen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemuhungen nachzuweisen,
  2. sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein nach § 16e gefordertes Arbeitsverhaltnis aufzunehmen, fortzufuhren oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
  3. eine zumutbare Masnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass fur den Abbruch gegeben haben. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfahige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund fur ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfahigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

  1. sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermogen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen fur die Gewahrung oder Erhohung des Arbeitslosengeldes II herbeizufuhren,
  2. sie trotz Belehrung uber die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
  3. ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur fur Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erloschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
  4. sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen fur das Eintreten einer Sperrzeit erfullen, die das Ruhen oder Erloschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begrunden.

§ 32 Meldeversaumnisse

(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung uber die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zustandigen Tragers, sich bei ihm zu melden oder bei einem arztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Arbeitslosengeld II oder das Sozialgeld jeweils um 10 Prozent des fur sie nach § 20 masgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund fur ihr Verhalten darlegen und nachweisen. Die entsprechenden Sanktionsgrunde getrennt nach Jahren und Altersgruppen sind bereits oben unter 1. dargestellt.

Frage 3

In der Auswertung der Rechtsbehelfsstelle des Jobcenters Kreis Recklinghausen sind fur die Jahre 2016 und 2017 (hier auch das gesamte Jahr) die Zahlen der eingereichten und abgeschlossenen Verfahren angegeben. Wegen der Bearbeitungszeiten konnen daher im Vorjahr begonnene Verfahren ggfs, im laufenden Jahr abgeschlossen werden. Die Auswertung bezieht sich auf alle Sanktionen ohne Unterscheidung der Altersgruppen und der verschiedenen Stufen.

 20162017
Eingereichte Widersprüche1110
Erledigte Widersprüche1510
Stattgaben, ganz od. teilw.             4

6

Eingereichte Klagen7       4      
Erledigte Klagebn95
Stattgaben Klagen, ganz od. teilw.84
   

 

Frage 4:

In 2016 wurden 149 Sanktionen neu festgestellt gegenuber erwerbsfahigen Leistungsberechtigen in Bedarfsgemeinschaften mit Kindern / Jugendlichen (bis einschlieslich 17 Jahren), von Januar bis Oktober 2017 waren es 130. Das entspricht Anteilen an allen Bedarfsgemeinschaften mit Kindern / Jugendlichen (zeitgleiche Durchschnittsanzahlen) von 7,4 % in 2016 und 6,0 % in 2017.

Frage 5:

In 2016 wurden 70 Sanktionen neu festgestellt gegenuber Alleinerziehenden, von Januar bis Oktober 2017 waren es 74. Das entspricht Anteilen an allen Alleinerziehenden (zeitgleiche Durchschnittsanzahlen) von 7,6 % in 2016 und 7,9 % in 2017.

Frage 6:

In den mit Sanktionen belegten Bedarfsgemeinschaften waren in 2016 mindestens 268 und in 2017 mindestens 211 Kinder (bis 17 Jahre) im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die Angabe ist mit dem Zusatz mindestens erforderlich, weil die Statistik nach Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender und Partner mit Kindern nur die Kriterien mit 1 Kind, mit 2 Kindern und mit 3 oder mehr Kindern unterscheidet. Eine genaue Ermittlung der betroffenen Kinder bei Bedarfsgemeinschaften mit 4 oder mehr Kindern ist daher nicht moglich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach § 31 a Abs. 3 SGB II bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 masgebenden Regelbedarfs in angemessenem Umfang erganzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind, wenn Leistungsberechtigte mit minderjahrigen Kindern in einem Haushalt leben.

Frage 7:

Zur Sicherstellung des Lebensunterhalts wahrend einer Sanktion regelt § 31 a Absatz 3 SGB II, dass bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des masgebenden Regelbedarfs auf Antrag in angemessenem Umfang erganzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden konnen. Derartige Leistungen sind zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjahrigen Kindern in einem Haushalt leben (vergl. Nr. 6). Zur Sicherstellung von Mietzahlungen sind folgende Regelungen zu beachten:

  • bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mindestens 60 Prozent des fur den erwerbsfahigen Leistungsberechtigten nach § 20 masgebenden Regelbedarfs soll das Arbeitslosengeld II, soweit es fur den Bedarf fur Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.
  • im Falle einer Mehrpersonen-Bedarfsgemeinschaft ist der vollstandige Wegfall des Unterkunftskostenanteils der sanktionierten Person durch die anteilige Erhohung bei den ubrigen Personen auszugleichen, da ansonsten die ubrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft fur das Fehlverhalten der sanktionierten Person eintreten mussten.
  • fur unter 25 jahrige Leistungsberechtigte kann das Jobcenter nach vollstandigem Leistungssauschluss wegen wiederholter Pflichtverletzung nach § 31 SGB II unter Berucksichtigung des Einzelfalls nach pflichtgemasem Ermessen Leistungen zur Deckung der Bedarfe fur Unterkunft und Heizung erbringen, wenn sich die leistungsberechtigte Person nachtraglich bereit erklart, ihren Pflichten nachzukommen.

Die Sanktionsbescheide enthalten regelmasig Hinweise auf die moglichen zusatzlichen Leistungen und deren Voraussetzungen.

Frage 8:

Die Grunde fur die Entstehung von Mietschulden und Wohnungslosigkeit werden statistisch nicht erfasst. Zu den Auswirkungen von Sanktionen und den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausfuhrungen unter 7. verwiesen.


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