Stellungnahme des Ratsherrn Kruse zur Reaktion des BM Roland auf das Urteil zum Rederecht

Offener Brief an alle Ratsmitglieder der Stadt Gladbeck

Franz Kruse
PM Sonstiges

Sehr geehrte Damen und Herren des Rates der Stadt Gladbeck,

zu dem gestrigen Urteil gegen Herrn Bürgermeister Roland wegen der Vorgänge in der Ratssitzung am 05.10.2017 hat der Bürgermeister Ihnen ein Schreiben gesendet, das ich so nicht stehen lassen kann. Diese Schreiben ist derartig verharmlosend, dass es einen falschen Eindruck vermittelt.

Der Bürgermeister schreibt bezüglich des 05.10.17 von einer „dreimaligen Bitte“, ich möge zum Thema sprechen und er hätte mich „gebeten, wieder Platz zu nehmen“ worauf ich dieser „Bitte nachgekommen“ wäre. Das Ganze macht einen geradezu harmonischen und einvernehmlichen Eindruck und der Leser fragt sich, warum Ratsherr Kruse überhaupt Klage erhoben hat.

Tatsächlich war es so, dass der Bürgermeister mich während meines Wortbeitrages 3 Mal aggressiv ermahnend zur Ordnung gerufen hat und behauptet hat, ich würde nicht zur Sache reden. Dem habe ich widersprochen und erklärt, inwiefern ich zur Sache rede, was der Bürgermeister jedoch nicht akzeptierte. Dabei hat er mir überdies vorgeworfen, mein Wortbeitrag sei nicht anständig und es wäre der Ratssaal kein Kabarett. Bereits bei den Unterbrechungen meines Wortbeitrages hat er gedroht, dass er mir als Sitzungsleiter das Rederecht entziehen würde, was er dann beim 3. Ordnungsruf auch tat und anmerkte, ich könne ihn ja verklagen. Nachdem ich ihn in einem persönlichen Anschreiben und zusätzlich noch mit einem Antrag im Haupt- und Finanzausschuss vergeblich zur Rücknahme des Wortentzuge aufgefordert hatte, musste ich Klage erheben, denn ich sah einen klaren Verstoß gegen grundlegende demokratische Prinzipien.

Das Gericht machte gestern folgendes ganz klar:

Schon die Ordnungsrufe des Bürgermeisters waren rechtswidrig. Ich hatte zur Sache gesprochen. Sogar in der Urteilverkündung betonte der Richter ausdrücklich, dass es nicht nur zulässig, sondern sogar gewünscht ist, dass ein Sachthema bei der Beratung in den zugehörigen Kontext gestellt wird. Damit wurde klar gestellt, dass die Praxis des Bürgermeisters, ein Sachthema extrem zu verengen und so die Diskussion über eventuelle, damit zusammen hängende Problematiken verbieten zu können, künftig nicht mehr möglich ist.

Völlig außerhalb jeden Zweifels ist es nach den Ausführungen des Gerichtes, dass der Wortentzug rechtswidrig war. Der Richter machte mehrfach sowohl im Laufe der Verhandlung als auch in der Urteilsverkündung überaus deutlich, dass die parlamentarische Demokratie von Kerninhalten lebt; eines davon ist das Rederecht der Mandatsträger. Dieses Kernrecht hat der Bürgermeister laut gerichtlicher Feststellung missachtet.

Bei der Klarheit des Urteils halte ich es nicht für möglich, dass ein Antrag auf Widerspruch beim Oberverwaltungsgericht Erfolg versprechend sein könnte. Noch höhere Ausgaben für die externe Anwaltskanzlei sollte der Bürgermeister unserer Stadt in dieser Sache ersparen. Für Ulli Roland wäre meines Erachtens nun ein wenig Demut die angebrachte Haltung.

In einem hat Herr Roland aber recht: Das Urteil könnte eventuell Auswirkungen auf die Sitzungsleitung von Bürgermeistern NRW-weit haben; allerdings wären das gute Auswirkungen, die nur dann zum tragen kämen, wenn diese Bürgermeister in der Sitzungsleitung genau so demokratiefeindlich agierten wie der Gladbecker.


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Zur Info hier das Schreiben des BM Roland an alle Ratsmitglieder der Stadt Gladbeck


An die Mitglieder

des Rates der Stadt Gladbeck

Klage des Ratsherrn Kruse gegen den Bürgermeister der Stadt Gladbeck wegen Entzugs des Rederechts in der Ratssitzung am 05.10.2017

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Ratssitzung am 05.10.2017 habe ich als Sitzungsleiter bei der Beratung des Tagesordnungspunktes „Prüfung des Gesamtabschlusses 2015" Ratsherrn Franz Kruse nach dreimaliger Bitte, zum Thema zu sprechen, gebeten, wieder Platz zu nehmen und auf das weitere Wort zu verzichten. Herr Kruse ist damals dieser Bitte nachgekommen und hat anschließend beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage eingereicht.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat mit heutigem Urteil der Klage von Ratsherrn Kruse stattgegeben.

Die Verwaltung wird nun auf die schriftliche Urteilsbegründung warten, um ein Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster zu prüfen, da dieses Urteil - wenn es nicht in der nächsten Instanz korrigiert wird - erhebliche Auswirkungen auf die Sitzungen aller Stadt- und Gemeinderäte in Nordrhein-Westfalen haben wird. Alle Bürgermeister und Oberbürgermeister wären in ihrer Sitzungsleitung davon betroffen. Es dürfte dann problematisch sein, auf den strikten Themenbezug hinzuweisen und dies durchzusetzen.

Über das weitere Vorgehen werde ich Sie zu gegebener Zeit informieren.

Mit freundlichen Grüßen

- Ulrich Roland -


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